Ausschnitt aus der Lesung vom 25. Juni

Ja, einen wunderschönen guten Abend. Ich bin hier, um endlich mal ein Versprechen zu halten. Toll, nicht? Ja. Also. Los.

Ich habe euch etwas mitgebracht. Und zwar einen Ausschnitt aus der Lesung vom 25. Juni 2010. Das ist insofern beachtlich, als dass ich weder über genügendes Equipment für derartige Aufnahmen noch über die technischen Fähigkeiten zur Bearbeitung derartiger Aufnahme verfüge und euch dennoch nicht die Ohren abfallen werden. Nicht völlig zumindest.

Wie dem auch sei. Meine Wenigkeit liest “Denn, wenn etwas geboren wird, dann hat es einen Namen zu tragen, damit man mit ihm oder ihr oder über es oder sie oder ihn schnell verständlich kommunizieren kann.” – Ein Sonett.


Programmatik

Programmatik

vernehmt
meine expeditive Prozedur,
mit der ich den
Kreis schon schließe!

Näherndes:
Systematik als
Wissenschaft, als
Lebenskraft, als das,
was ruhig mich macht im
Angesicht gesichteter Gesichter, die
mir verschwimmen, bis ich
neue Namen finde.

so geordnet, habe ich mich
in Ordnung verordnet und das
zernichtet, ja
zernichtet, doch
man kann noch immer
weiter.

Uwe Timms “Heißer Sommer”

So, hier nun meine noch nicht berühmte Art, mich mit einem literarischen Werk auseinanderzusetzen, indem ich euch mindestens ein Zitat, das mir aus Gründen spontaner Assoziationen besonders gefallen hat, vor die Füße werfe.

Aus der Kategorie “Sprache und andere Hürden”:

Da brüllte er sie an: Du hängst mir zum Hals raus, ellenlang.

Sie hatte ihn angestarrt, Verblüffung in den Augen, dann Angst.

Wie war er nur auf dieses Wort gekommen, ellenlang.

Uwe Timm: Heißer Sommer, Köln 2008, S. 13.

Eine Beobachtung zu Prozessen innerhalb von Gruppen egal welcher Natur oder Zielsetzung sie ursprünglich mal verbunden waren:

Das sind doch ganz brutale persönliche Machtfragen. Die basteln da an ihrem Selbstwertgefühl. Das stabilisieren die, indem sie die anderen aufs Kreuz zu legen versuchen. Und das rationalisieren die dann mit Marxismus.

Ebd., S. 243.

Ja, das war’s. Nächstes Mal gelingt es mir dann vielleicht auch wieder mehr, Menschen auf das dann betroffene Buch neugierig zu machen. Ich lese jetzt Bulgakows Der Meister und Margarita. Faust-Anspielungen, ich komme!


lyrik

lyrik

rätselratten, aufgepasst!
hier kommt ein neues rätselraten:
wer kann mir die lösung sagen,
ohne jemals nachzufragen?

‘mhm’,
sage ich
der welt.

rattenrätsel – aufgewacht!
man stellt nur neue ratefallen:
niemand kann den knoten lösen
an der andern leute ösen.

Erwachen

Erwachen

Vögel zwitschern in den Kronen
grüner Bäume, die mich lohnen
mit Gefühl des Frühlingsdranges,
jenem Locken süßen Sanges.

Grün wallt ringsum auch in Städten,
will mit mir auf Zeiten wetten,
die den Menschen überdauern
und mit Ranken größte Mauern

noch bedecken. Ich verharre.
Seh mich um und meine Starre,
denk das Walten größrer Mächte:
Was mein Wort der Welt wohl brächte?

verfahren

verfahren

gott ist tot
doch wir
wir leben wohl noch immer
die latenz ist verloren

ich schreibe gedichte
du denkmalst dich anders
einer wird erinnert
anderer nicht
wir bleiben ohne
die latenz verloren

es gibt verfahren
doch was, wenn der schleier
sich lüftet?
frag deine adams
die latenz ist verloren

was hält?
gewalt als die
waffe der wahl und der
leidende mensch als
grund?

und von zeit zu
zeit bejubele ich die
zeit, die mir
das vertrauen
neu schenkt
wenn ich es will
wenn ich es will

ach
du welt
der handlungsressourcen

ausrichtungwort

ausrichtungwort

zeit ohne worte
unnahbar heute
alles vermittelt

alles vermittels
etwas anderem

und dieses andre
immer anders

in der wiederholung
eine wieder-holung?

alles täuscht
in seinem tausch,
der die austauschbarkeit
zeigt: trist verzweigt
als baum, der schweigt.
was ist das?
geformt, verformt–
reformen des verlusts.

doch lust, ja lust,
ab und an.
nur hedonistisch, klingt es dann

und dieser klang
klangt meine suche
nach der form,
die sich nähert,
es formt, noch einmal,
einmal noch

ich richte mich
ein
bisschen
ein.