Ich meine, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann ist der Roman schon ziemlich interessant komponiert und seine Verzwirbelungen mit Goethes Faust sind interessant und witzig und spielerisch und so weiter. Vor allem die Pilatus/Jeschua-Kapitel haben mir mit ihren bibelkritischen Ideen auch sehr gefallen und wie diese Einschübe eigentlich den ganzen Roman zusammenhalten, wenn zunächst nur der Teufel alias Voland eine Geschichte erzählt, um die Existenz Jesu zu beweisen, und sich diese Geschichte später als ein Teil des Romans des Meisters herausstellt, aus dem dann weitere Kapitel vorgestellt werden.
Und ja, doch, in der gesamten Geschichte des Buches und Bulgakows mit dem Verbot in der Sowjetunion und der ganzen versteckten System- und vor allem auch Bürokratiekritik steckt ein Reiz, sich mit diesem Buch intensiv auseinanderzusetzen. Aber irgendwie. Ach, ich weiß auch nicht so recht. So richtig zünden wollte das ganze bei mir nicht. Michail Bulgakows Der Meister und Margarita ist sicherlich tatsächlich ein äußerst bedeutendes Buch. Aber wenn ich es vor dem Hintergrund der Bonmots, die ich mir aus meinen Freizeitlektüren herauszuschreiben pflege, bewerte, dann kommt es nicht sonderlich gut weg. Hätte ich es also mehr aus Interesse an dem (literatur)geschichtlichen Rahmen gelesen, wäre ich vermutlich begeistert gewesen. Da ich es mir aber aus nicht reflektierten Gründen nicht abgewöhnt habe, Bücher in meiner Freizeit doch mehr zu Zwecken irgendeiner Erbauung und Sinnstiftung zu lesen, bin ich etwas enttäuscht. In dieser Hinsicht hatte ich etwas mehr von diesem “Kultbuch” erwartet. Selbst schuld, möchte man meinen – was kann schließlich das Buch dafür, dass es für mich wenig aktuellen Lebensbezug hatte. Tjaja.
Was lernen wir also? Gutes Buch, sicherlich, wenn man es eben unter dem richtigen Blickwinkel betrachtet. Was bleibt? Hier zwei kleine feine Stellen, die ich zitieren möchte, um einen Eindruck zu geben.
‘Ah! Sie sind Historiker?’ fragte Berlioz erleichtert und respektvoll.
‘Ja, ich treibe Geschichte’
(Bulgakow, Michail: Der Meister und Margarita. Aus dem Russischen von Thomas Reschke, München, 8. Auflage 2008, S. 25.)
‘[…] Willst du nicht so gut sein, einmal darüber nachzudenken, was dein Gutes täte, wenn das Böse nicht wäre, und wie die Erde aussähe, wenn die Schatten von ihr verschwänden? Kommen doch die Schatten von den Dingen und den Menschen. Da ist der Schatten meines Degens. Aber es gibt auch die Schatten der Bäume und der Lebewesen. Du willst doch nicht etwa den Erdball kahlscheren, alle Bäume und alles Lebende von ihm entfernen und deine Phantasie an kahlem Licht ergötzen? Du bist dumm.’
(Ebd., S. 447-448.)
ps: Das viel beschworene “Mir nach, Leser!” kommt ja mal ganz ehrlich gesagt nicht sonderlich häufig vor. Drei Mal vielleicht oder so?